Noch nie hat ein Preis so genau auf die Lebensumstände des Stifterehepaares Sigrid und Dr.Wolfgang Berner gepasst, wie in diesem Jahr, wo das Pränatalteam des Kinderpalliativteams Südhessen e.V. ausgezeichnet wird.
Denn es kam nicht von ungefähr, dass die Berners eine Stiftung für kranke und behinderte Kinder und Jugendliche errichtet haben. Sie waren persönlich betroffen. Ihre Tochter Yvonne kam am 19. Februar 1971 in Frankfurt am Main todkrank auf die Welt. Trotz aller persönlichen und wirtschaftlicher Erfolge, die beide, sowohl Dr. Wolfgang Berner als auch Sigrid Berner auszeichneten, blieb das schmerzliche Geschehen in bleibender Erinnerung.
1971 gab es noch wenig Pränataldiagnostik. Während man heute ein ungeborenes Baby fast wie auf einem Foto sogar in 3D bestaunen kann, war in den siebziger Jahren nur ein undefinierbares Flimmern zu erkennen. Im Fall der Schwangerschaft von Sigrid Berner ergab sich wahrscheinlich das konkrete Krankheitsbild erst nach der Geburt und war ein Schock. Eine Welt voller Hoffnung brach zusammen. Die Familie geriet in eine tiefe Krise und erlebte Augenblicke von Verzweiflung und Zukunftsangst. Sie konnten nicht so für einander da sein, wie erhofft. Behinderung war ein Tabu über das auch Familie Berner kaum sprach.
Bis zum Ende der 80er Jahre hinein bestand der Umgang mit Fehlgeburten und früh verstorbenen Babys aus Verdrängen und Vergessen. Es herrschte weitgehend Einigkeit darin, dass der Mutter jeglicher Kontakt oder jedwede Wahrnehmung ihres verstorbenen Kindes erspart bleiben müsste. Das schreckliche Geschehen sollte so verdrängt werden und ein emotionaler Beziehungsaufbau vermindert werden. Palliativ Care gab es noch nicht. Bei den betroffenen Neugeborenen ging es nach der Geburt um eine Verlängerung der Lebenszeit, und nicht die bestmögliche Lebensqualität. Das Befinden des Kindes sowie dessen Familie stand nicht im Vordergrund, sondern die medizinische Versorgung. Die Familie Berner erhielt so nur wenig bis gar keinen Kontakt zu ihrer Tochter.
Auch die Chance, Zeit mit ihrer Tochter zu Hause zu verbringen, sich emotional mit dem ganzen dramatischen Geschehen auseinanderzusetzen, bekamen sie nicht. Yvonne Berner verbrachte praktisch ihre ganze kurze Lebenszeit im Krankenhaus. Sie verstarb am Samstag, den 12. Juni 1971 im Alter von nur vier Monaten.
Die Beerdigung fand am folgenden Freitag um 7.30 Uhr morgens auf dem Hauptfriedhof statt, eine Uhrzeit zu der wenige auf dem Friedhof waren, garantiert niemand kam und man alles unauffällig abwickeln konnte. Wenig Raum wurde der Besonderheit der Trauer um ein neugeborenes Kind gelassen, die ja auch darin besteht, dass dessen Persönlichkeit der Mutter für immer unbekannt bleiben wird und sich oft das Gefühl des Versagens einstellt– Sigrid Berner war in der Schwangerschaft schon etwas älter -, ein gesundes Kind auf die Welt bringen zu können.
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Wir wissen heute viel zu wenig über Yvonne Berner. Die Erinnerung an sie wurde totgeschwiegen. Wir kennen weder ihre Erkrankung, noch die Todesursache.
Aber die Stiftung ihrer Eltern kann dazu beitragen, dass es zukünftigen Eltern mit lebensverkürzend erkranken Kindern besser geht, dass sie gut beraten werden, dass sie sich frei entscheiden können, dass sie die für sie passenden Lösungen wählen können, medizinisch und psychosozial betreut die Schwangerschaft fortführen können, auch todkranke Kinder zu Hause gepflegt werden, um in Frieden Abschied von ihrem Kind nehmen zu können, dass sie die Ereignisse emotional verarbeiten können.
Die feierliche Übergabe fand wieder im Gästehaus der Universität Frankfurt am 8. Juli 2022 statt, Frau Stadträtin Elke Voitl sprach ein Grußwort und Frau Dr. Ivonne Bedei, Bernerpreisträgerin von 2019, hielt die Laudatio.
Pränatalteam des Palliativteams Südhessen e.V.